Montag, 30. November 2015

Sportlich gesehen!

Es ist der 29.11.2015 und ca. 18:30 Uhr. ich schalte Hamburg 1 ein und sehe die "Live-Zahlen" der Stimmenauszählung des Referendums zu den Olympischen Spielen in Hamburg. Mein erster Gedanke: "Fuck! Das kann echt schiefgehen!". Das tat es dann auch und zwar gewaltig. Letztlich ist es egal wie deutlich oder wie knapp die Olympiabewerbung abgelehnt wurde. Sobald die Zahl der NEIN-Stimmen auch nur um eine Stimme über der der JA Stimmen lag sind alle Pläne dahin.

Ich muss ehrlich sagen, dass für mich etwas zusammengebrochen ist. Ein Traum von Olympischen Spielen und ein Traum davon etwas zu verändern oder besser zu machen. Ich hätte in der Konsequenz nicht mit dem Ergebnis gerechnet und wollte es natürlich auch nicht.

Der Sportler in mir spricht natürlich aus Leidenschaft für den Sport über die Olympischen Spiele. Ein Fest des sportlichen Wettstreits, der dich die Gänsehaut am ganzen Körper spüren lässt. Es gibt kaum einen Moment der so intensiv sein kann wie Momente, die wir im Sport erleben, weil wir überwiegend Momente sehen die pur und ehrlich zu uns kommen. Keine Maske, keine Hemmungen, einfach Sieg und Niederlage, Tränen und Freude, Schweiß und Blut.

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich natürlich auch gehofft habe positiv Einfluss zu nehmen auf mögliche Olympische Spiele. Das ist doch klar, es gab die Chance etwas besser zu machen und meine Erfahrungen aus dem Sport mit einfließen zu lassen, da muss ich dabei sein.

Und genau da sind wir. Wie kommt ein "Nein" zu Stande? Ich will nicht dabei sein und ich will dieses event nicht in meiner Stadt. Ich will gar nicht auf die ganzen Argumente eingehen, die in den letzten Wochen und Monaten hoch und runtergebetet wurden. Für mich überwogen die positiven Aspekte, was aber natürlich auch meiner Gewichtung der Argumente entspricht. Ich bin mir auch sicher, dass am Ende die positiven Aspekte überwogen hätten. Ich stelle grundsätzlich die Frage, ob solch ein Volksentscheid die richtige Wahl ist für ein Projekt, dessen einschnitt in eine Stadt und eine Region so gravierend ist. Optimalerweise wäre es so, dass jeder Abstimmungsberechtigte vor der Abstimmung allumfassend informiert wäre. Dies ist nie gegeben, egal wie sehr man sich bemüht. Bei einem Projekt dieser Komplexität ist es ausserdem auch niemandem zuzutrauen diese Aufklärungsarbeit zu bringen. Wenn wir also davon ausgehen, dass nicht jeder vollends informiert ist, wie entstehen dann Meinungen? Es ist klar, dass eine Entscheidung FÜR Olympische Spiele, und wenn wir diese bekommen würden, bedeuten würden, dass die Stadt 6 Jahre lang grundlegend verändert wird. Jeder Bürger unserer Stadt müsste sich aus seiner Komfort-Zone bewegen und etwas von sich aus investieren, einen Stau mehr ertragen und das Gewohnte Umfeld verlassen. Meine Erfahrung ist vor allem von mir selber, dass ich das eher ungern mache, vor allem bei Dingen die ich nicht gerne habe oder die ich nicht genug kenne. Unter diesen Voraussetzungen: "Wie soll ein Referendum über ein Großprojekt positiv ausfallen?".

Ich glaube an Veränderungen und ich glaube daran, dass der Olympische Geist nicht verloren gegangen ist durch die Funktionäre des IOC. Ich glaube das die Nachhaltigkeit einer Olympischen Bewerbung Hamburgs und die Vorbereitung, Durchführung und Nachnutzung vorbildlich durch Hamburg geschehen wäre. Schade das ich nur in hypothetischen Aussagen schreiben muss. Na klar kommen genau hier die Olympia-Gegner und entgegnen Dir "Aber guck mal hier was aus den Sportstätten geworden ist! Guck hier um wieviel es teurer geworden ist! usw.". Alles was in der Vergangenheit geschehen ist, muss ich so im heute akzeptieren. Trotzdem wird meine Energie immer Zukunftsorientiert sein. Ich will es besser machen und damit die aktuellen Umstände nicht hinnehmen. Dies fängt bei der Förderung der Athleten an und hört bei der Nachnutzung der olympischen Sportstätten auf.

Ich will hier nicht auch noch auf die Situation des Olympischen Sport und der Athleten eingehen. Sie selber kommunizieren genug und sie können für sich selber sprechen.

Ich will nicht weinerlich rüberkommen, doch es gab schon noch einen weitaus größeren Punkt der mich von der Notwendigkeit Olympischer Spiele überzeugte. Ich sehe die Welt mit vielen Problemen vor mir liegen. Probleme die global gravierend und allumfassend sind und Probleme die lokal greifbar sind. ich sehe viele Diskussionen genau darüber genau wie über die Olympiabewerbung, aber ich sehe keine Antworten. Im Moment sehe ich einen ganz gefährlichen Trend in der Welt aber auch in unserer Stadt. Wir bauen, manchmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes, Mauern oder Zäune um uns auf und lassen so gut wie gar nichts mehr an uns ran aus Angst vor dem was wir nicht kennen. Eine Situation aus meinem Leben zeigt genau was ich meine und dafür muss ich nicht irgendwohin gucken sondern einfach nur aus der Tür gehen. Ich war joggen um die Alster hier in Hamburg. Am Ende der Runde saß ich auf einer Bank und es dämmerte schon. Schräg neben mir sah ich wie eine Läuferin mit einem anderen Mann an mir vorbeijoggte. Beide Mitte 40 kollidierten sie fasst mit einer anderen gleichaltrigen. Diese fuhr die beiden sofort an, obwohl sie einfach nur übersehen wurde. ich dachte erst es wäre ein Scherz und man würde sich kennen, aber schnell merkte ich das es ernst war und diese beiden Parteien sich fast handgreiflich auseinandersetzten. Ich musste fast lachen, weil ich es nicht fassen konnte wie zwei Damen mit Mitte 40 sich benahmen wie pubertäre Jugendliche. Diese Situation ist ein zeuge unserer Zeit, wir leben so dicht aufeinander aber sind doch soweit voneinander entfernt, wir kommunizieren so viel und ständig, dass der eigentlich Wert völlig verloren geht, da wir nicht mehr wissen was echt ist. Echte Emotionen, echte Gefühle, echter Respekt, echte Nächstenliebe. Der Schwung zum Sport kommt, wenn ich daran denke was Olympische Spiele in einer Gesellschaft bewirken können. Der Sport öffnet seine Hand, er überwindet Brücken, er lässt dich mit Menschen feiern die du noch nie gesehen hast. Die Mauer die ein jeder von uns hat wird eingerissen oder zumindest bröckelt sie, davon bin ich überzeugt. Ich bin bereit für diese Möglichkeit der Kommunikation meine Steuern zu zahlen und den Stau zu ertragen, weil ich weiß dass ich damit auch die Zukunft meiner Kinder nachhaltig besser machen kann.

Die Olympischen Spiele KÖNNEN eine Antwort sein auf unser aller Bedürfnis nach einer sicheren, lebenswerten, liebevollen und gemeinsamen Zukunft. Der Terror, die Flüchtlinge, der Klimawandel , usw. sind Probleme die allumfassend sind. Der Sport kann sie nicht lösen, aber die Olympischen Spiele sind eine Plattform um darauf effektiver und nachhaltiger zu Kommunizieren. Deutschland hatte die Möglichkeit ein Zeichen zu setzen und zusammen zu rücken, um gemeinsam eine Antwort auf diese Probleme zu liefern.

Meine Möglichkeit etwas zu ändern und Vorweg zu gehen, wurde mir gestern genommen. Trotzdem stehe ich hier mit offenen Armen und ohne Angst vor dem was kommt, denn ich sehe es sportlich und gebe niemals auf.

Never stop moving forward!

1 Kommentar:

der Alte hat gesagt…

Natürlich ist das NEIN hart - Olympische Spiele wären schon toll gewesen.
Die Möglichkeiten zur Veränderung wurde dir jedoch keineswegs genommen, wohl aber erschwert.
Echte Kommunikation, echte Emotionen, echte Erfahrungen mit anderen zu teilen ist immer möglich - aber es ist im gewöhnlichen Alltag natürlich viel schwieriger umzusetzen... Gelingt es, so gewinnt die Gesellschaft ein kleines Bisschen ein menschlicheres Gesicht, wahrscheinlich nachhaltiger als ein Großereignis bewirken kann.
Es gibt viel zu tun!